BGH urteilt zum Urheberrecht: Sampling nur noch in engen Grenzen zulässig (Teil 1)

Von Prof. Dr. Stefan Engels und Florian Stendebach

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 30. April 2020 (Az.: I ZR 115/16 – Metall auf Metall IV) darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen Rechte des Tonträgerherstellers durch das sogenannte Sampling verletzt werden. Unter Sampling ist der Vorgang zu verstehen, bei dem Fragmente einer Tonaufnahme in einen neuen musikalischen Kontext gesetzt werden. Das Urteil ist eine wichtige Leitentscheidung für zukünftige Streitigkeiten über die Zulässigkeit von Samples. Dem Verfahren ging ein langjähriger Rechtsstreit voraus, der nun noch einmal an das Hanseatische Oberlandesgericht (HansOLG) zurückverwiesen wurde.

In its ruling of 30 April 2020 (Ref.: I ZR 115/16 – Metall auf Metall IV), the Federal Court of Justice (BGH) decided under which conditions the rights of the producer of an audio recording are infringed by so-called sampling. Sampling is the process by which fragments of a sound recording are placed in a new musical context. The ruling is an important guiding decision for future disputes about the legality of samples. The proceedings were preceded by decades of litigation, which has now been referred back to the Hanseatic Higher Regional Court (HansOLG).

Rechtsstreit beschäftigt die Gerichte bereits seit Jahrzehnten

Hintergrund des Verfahrens ist die Klage der Elektro-Gruppe „Kraftwerk“, die im Jahr 1977 das Musikstück „Metall auf Metall“ herausbrachte. Sie wenden sich gegen den bekannten Hip-Hopper und Musikproduzenten Moses Pelham, der zusammen mit der Sängerin Sabrina Setlur im Jahr 1997 das Lied „Nur mir“ veröffentlichte.

Zur Herstellung des Songs hatte Pelham zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Lied „Metall auf Metall“ elektronisch kopiert, d.h. gesampelt, und „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt.

Die Musiker von „Kraftwerk“ sehen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller aus § 85 Abs. 1 S. 1 UrhG verletzt.

85 Abs. 1 S. 1 UrhG

Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und verbreiten.

Sie haben Pelham daher unter anderem auf Unterlassung, Schadensersatz und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen.

Ursprünglich hatte das Landgericht Hamburg der Klage bereits im Jahr 2004 stattgegeben. Danach durchlief das Verfahren mehrere Instanzen, unter anderem landete der Rechtsstreit im Jahr 2016 vor dem Bundesverfassungsgericht und zuletzt vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

In welchen Fällen ist Sampling zulässig?

Der BGH hat die Entscheidung über die vorgenannten Ansprüche zwar nun noch einmal an das HansOLG zurück verwiesen, aber dennoch wichtige Kriterien zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit von Samples aufgestellt.

Sampling nach dem 22. Dezember 2002:

Tonträger-Sampling, das nach dem 22. Dezember 2002 vorgenommen worden ist, ist demnach zulässig, wenn…

  •  ein Nutzer in Ausübung der Kunstfreiheit einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in einem neuen Werk zu nutzen (bei der Prüfung, ob das der Fall ist, ist auf das Hörverständnis eines durchschnittlichen Musikhörers abzustellen) oder
  •  wenn das Audiofragment lediglich zitiert wird, d.h. dass die Hörer – wie für ein Zitat erforderlich – annehmen könnten, die dem Musikstück unterlegte Sequenz sei einem fremden Werk oder Tonträger entnommen worden, oder
  •  das übernommene Audiofragment lediglich unwesentliches Beiwerk ist, oder
  •  das Musikstück ein Ausdruck von Humor oder Verspottung darstellt, indem das ursprüngliche Audiofragment karikiert oder parodiert wird.

Sampling vor dem 22. Dezember 2002:

Tonträger-Sampling, das vor dem 22. Dezember 2002 vorgenommen worden ist, kann zulässig sein, wenn sich Künstler auf eine freie Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG berufen können.

24 Abs. 1 UrhG

Ein selbstständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

Dieses Recht wird nur durch § 24 Abs. 2 UrhG eingeschränkt, sofern es sich bei der vervielfältigten Tonfolge um eine Melodie handelt.

Wichtig ist: Auch wenn die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbständig eingespielt oder nachgespielt werden könnte, sei § 24 Abs. 1 UrhG nach Auffassung des BGH anwendbar.

Zeitpunkt der Vervielfältigung entscheidend

Der BGH differenziert also zwischen Samples, die vor oder nach dem 22. Dezember 2002 vervielfältig wurden. Warum dies so ist und welche Konsequenzen das Urteil für das Urheberrecht hat, besprechen wir in einem weiteren Blogbeitrag.

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