BGH urteilt zum Urheberrecht: Sampling nur noch in engen Grenzen zulässig (Teil 2)

Von Prof. Dr. Stefan Engels und Florian Stendebach

Im ersten Teil unserer Serie haben wir darüber berichtet, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, unter welchen Voraussetzungen Reche des Tonträgerhersteller durch das sogenannte Sampling verletzt werden. Danach kann Tonträger-Sampling unter strengen Voraussetzungen weiterhin zulässig sein. In diesem Beitrag behandeln wir die Frage, warum der 22. Dezember 2002 als entscheidende Zäsur für das Urheberrecht gilt und welche Konsequenzen das Urteil des BGH für das Urheberrecht hat.

As reported in the first part of our series, the Federal Court of Justice has decided under which conditions rights of the producer of an audio recording are infringed by the so-called sampling. According to this decision, sound carrier sampling may still be possible under strict conditions. In this article, we discuss the question why December 22, 2002 is considered a decisive caesura for copyright and what other consequences the decision of the Federal Court of Justice has.

Rechtslage änderte sich im Jahr 2002 entscheidend

Der BGH gab bekannt, dass bei der Herstellung von Tonträgern zwischen der Rechtslage vor dem und nach dem 22. Dezember 2002 unterschieden werden müsse. Bis zu diesem Tag waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-Richtlinie) vollständig umzusetzen.

Die Folge: Seit diesem Zeitpunkt sei nach Auffassung des EuGH und BGH das in § 85 Abs. 1 S. 1 UrhG geregelte Recht des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung des Tonträgers mit Blick auf Art. 2 Buchst. c der InfoSoc-Richtline richtlinienkonform auszulegen:

Art. 2 Buchst. c InfoSoc-Richtlinie

Die Mitgliedstaaten sehen für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger das ausschließliche Recht vor, die […] Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Nach Auffassung des EuGH und BGH ist die Vervielfältigung eines – auch nur sehr kurzen – Audiofragments eines Tonträgers grundsätzlich als eine Vervielfältigung im Sinne der Richtlinie anzusehen.

Zentral ist aber ein anderer Punkt: „Sampler“ können sich seit der Gültigkeit der Richtlinie nämlich nicht mehr auf eine freie Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG berufen. Der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht keine Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers aus Art. 2 Buchst. c der Richtlinie vorsehen darf, die nicht in Art. 5 dieser Richtlinie enthalten sind:

Art.5 Abs.3 Buchst. d, i und k InfoSoc-Richtlinie

Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Artikeln 2 […] vorgesehenen Rechte vorsehen:

d) für Zitate wie Kritik oder Rezensionen […] sofern die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers angegeben wird […];

i) für die beiläufige Einbeziehung eines Werks […] in anderes Material;

k) für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches

Sampling ist demzufolge nur unter den in Art. 5 Abs. 3 der InfoSoc-Richtlinie genannten Voraussetzungen rechtmäßig.

Sind Rhythmussequenzen urheberrechtlich geschützte Werke?

Der BGH setzt mit dieser Entscheidung endlich klare Maßstäbe für die Zulässigkeit des Tonträger-Samplings – das wird es für Musiker in der Zukunft einfacher machen, Musikstücke rechtssicher zu produzieren.

Zudem stellt der BGH klar, dass eine Verletzung des Verbreitungsrechts aus § 85 Abs. 1 S. 1 Fall 2 UrhG im Falle des Samplings nicht gegeben ist. Eine Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene Musikfragmente enthält, stelle keine Kopie dieses anderen Tonträgers dar.

Die Künstler von „Kraftwerk“ haben ihre Ansprüche hilfsweise auf ihr Leistungsschutzrecht als ausübende Künstler und auf die Verletzung des Urheberrechts am Musikwerk gestützt. Dazu sagt der BGH: „Für auf das Leistungsschutzrecht als ausübende Künstler gestützte Ansprüche dürfte wohl nichts anderes gelten als für auf das Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller gestützte Ansprüche“.

Allerdings wies der BGH auch darauf hin, dass bezüglich der Ansprüche aus dem Urheberrecht schon fraglich sei, ob die entnommenen Rhythmussequenzen die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk erfüllen. Mit dieser Frage wird sich das HansOLG nun abschließend auseinandersetzen müssen.

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