Datenschutz: BGH wartet auf EuGH-Entscheidung zur Verbandsklagebefugnis bei Datenschutzverstößen

Von Prof. Dr. Stefan Engels

Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Beschluss vom 11. April 2019 (Az.: I ZR 186/17) das anhängige Verfahren des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (vzbv) gegen Facebook wegen Verstößen gegen Datenschutzrecht bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einem diesem vom Oberlandesgericht Düsseldorf vorgelegten Vorabentscheidungsverfahren ausgesetzt. In dem Fall stellen sich insbesondere zwei interessante Fragen: Ob der klagende Verband überhaupt eine Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG besitzt und ob Verstöße gegen § 13 Abs. 1 S. 1 TMG und § 4a Abs. 1 S. 2 BDSG a. F. Marktverhaltensregeln nach § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG a. F. (jetzt § 3 Abs. 1, § 3a UWG) darstellen. Fragen, deren Beantwortung die deutsche Wettbewerbsordnung zu Datenschutzverstößen verändern kann.

Aufgrund der ersten Frage hat der BGH das Verfahren ausgesetzt, da der Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH – Az: C-40/17Fashion ID) momentan in anderer Sache darüber entscheidet, ob die Regelungen in Art. 22 bis 24 Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Richtlinie) einer nationalen Regelung entgegenstehen, die – wie § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG – gemeinnützigen Verbänden zur Wahrung der Interessen der Verbraucher die Befugnis einräumt, im Falle einer Verletzung von Datenschutzvorschriften gegen den Verletzer vorzugehen. Für eine Verbandsklagebefugnis spricht zwar, dass nach Art. 24 Richtlinie 95/46/EG die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zu ergreifen haben, um die volle Anwendung der Richtlinie sicherzustellen, wozu auch eine Verbandsklage im Interesse der Verbraucher gehören kann.  Ferner sieht Art. 80 Abs. 2 Verordnung 2016/679/EU (Datenschutzgrundverordnung – DSGVO) eine Verbandsklage nunmehr ausdrücklich vor. Gegen eine Verbandsklagebefugnis spricht allerdings der Wortlaut der Art. 22 bis 24 Richtlinie 95/46/EG, die nur ein Vorgehen der Datenschutzbehörden und der Betroffenen vorsehen und die Richtlinie insoweit eine abschließende Regelung darstellt. Zudem kann einer Verbandsklage die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden entgegenstehen, wonach auch eine Klagebefugnis gem. § 2 Abs. 2 Nr. 11 Unterlassungsklagegesetzes (UKlaG) nicht in Betracht kommt.

Darüber hinaus bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der BGH auf die zweite Frage antwortet, ob die betreffenden Verstöße Marktverhaltensregeln darstellen, antwortet, da dies insbesondere in Bezug auf die Verletzung von DSGVO-Vorschriften momentan in der Diskussion ist (vgl. auch Spittka, in GRUR-Prax 2019, 4). Mit Blick auf die DSGVO wird pro Marktverhaltensregel damit argumentiert, dass in den Erwägungsgründen ausdrücklich auch die Förderung des Wettbewerbs erwähnt ist und das Datenschutzrecht nicht lediglich den Grundrechten der betroffenen Personen dient, vielmehr hat der Gedanke, dass es sich bei Daten auch um ein Handelsgut mit Wirtschaftswert handelt, bereits Einzug in das europäische Recht gehalten, sodass eine Marktverhaltensregelung jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn die konkrete Datenverarbeitung eine gewisse Kommerzialisierbarkeit der Daten beinhaltet. Darüber hinaus sehe die DSGVO kein abgeschlossenes Regelungssystem ihrer Durchsetzung vor, insbesondere gilt Art. 80 Abs. 2 DSGVO nur für Betroffenenrechte und nicht für Marktverhaltensregeln. Zudem zeige der Wortlaut des Art. 84 DSGVO, dass das Sanktionssystem der DSGVO nur einen Mindeststandard darstellt. Dagegen spricht wiederum, dass die DSGVO zwar die Voraussetzungen für einen wirksamen Wettbewerb schafft, diesen als solchen aber nicht regelt. Auch sei das Rechtsfolgensystem der DSGVO abschließend und Art. 80 Abs. 2 DSGVO, der als Ausnahmeregelung ohnehin eng auszulegen ist, spricht gerade nicht von einer Klagebefugnis von eigenen Interessen vertretenden, kommerziellen Stellen oder Mitbewerbern, die bei einem Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel nach UWG hingegen aktivlegitimiert wären. Weiter seien Mitbewerber nicht schutzlos, da sie Verstöße jederzeit bei den Behörden, denen nach den nach den Art. 55 – 57 DSGVO die Durchsetzung der Vorschriften der DSGVO obliege, melden und die Einleitung eines Verfahrens anregen können. Schließlich hat das Land Bayern einen eigenen Gesetzentwurf zum UWG in den Bundesrat eingebracht, wonach in § 3a UWG ausdrücklich festgehalten werden soll, dass die Vorschriften der DSGVO keine Marktverhaltensregeln darstellen.

Es stellt sich die Frage, ob der BGH nach der Entscheidung in Sachen Fashion ID nicht direkt noch einmal vorlegen muss, sofern der EuGH eine Aktivlegitimation for Verbraucherverbände nicht bereits unter der Datenschutz-Richtlinie ablehnt. Die Vorlagefrage bezieht sich allein auf die alte Datenschutz-Richtlinie. Da der vom vzbv geltend gemachte Unterlassungsanspruch auf die Zukunft gerichtet ist, muss auch unter der DSGVO eine Klagebefugnis für Verbraucherschutzverbände bestehen. Ob und in welchen Umfang dies derzeit in Deutschland der Fall ist, ist trotzt der Regelungen des Art. 82 Abs. 2 DSGVO und des § 2 Abs. 2 Nr. 11 UKlaG umstritten und dürfte ebenfalls einer Klärung durch den EuGH bedürfen.