Neue Regeln für Werbung und Telefonmarketing: Welche Auswirkungen hat der Entwurf für faire Verbraucherverträge auf die Wirtschaft? – Teil 1 unserer Serie

Von Prof. Dr. Stefan Engels und Florian Stendebach

Das Gesetz für faire Verbraucherverträge soll kommen. Obwohl über den Nutzen des Gesetzesentwurfs teils heftig gestritten wurde, will das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) damit die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken. Um sie besser vor telefonisch aufgedrängten oder untergeschobenen Verträgen zu schützen, soll die sogenannte Bestätigungslösung eingeführt werden. Sie hätte weitreichende Konsequenzen für die bisherige Praxis von Unternehmen, Telefonkommunikation als Marketinginstrument zu nutzen.

The German Federal Ministry of Justice and  Consumer Protection has recently published a draft law to strengthen the rights of consumers. The ministry is willing to fight against unfair consumer contracts and illegal telephone advertising. The draft has massive impacts on the work of firms which use telephone communication on behalf of marketing actions.

Gesetzesentwurf erschwert telefonische Vertragsabschlüsse

Die Bestätigungslösung soll in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aufgenommen werden,  zunächst aber nur für Energielieferungsverträge gelten. „Bestätigung“ bedeutet, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft alle telefonisch geschlossenen Verträge im Nachhinein genehmigen müssen. Tun sie das nicht, ist die telefonische Vereinbarung nicht gültig. Dies soll sogar für die Fälle gelten, in denen Verbraucherinnen und Verbraucher ein Unternehmen selbständig anrufen. In dem neu entworfenen Absatz 3 von § 312c BGB heißt es:

(3) Schließt ein Verbraucher telefonisch einen Fernabsatzvertrag über die […] Lieferung von Gas oder Strom, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags davon ab, dass der Verbraucher den Vertrag in Textform genehmigt, nachdem ihm der Unternehmer den Inhalt des Vertrages auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat. […].

Nach der Begründung der Bundesregierung seien Verbraucherinnen und Verbraucher häufig verunsichert, ob und unter welchen Konditionen ein Vertragsschluss zustande gekommen ist, insbesondere wenn sie einen unerbetenen oder betrügerischen Werbeanruf erhalten haben. Das neue Gesetz soll ihnen die Gelegenheit geben, sich in Ruhe zu überlegen, ob und unter welchen Bedingungen sie ihren Energielieferanten wechseln möchten. Zudem soll bei Unternehmen die „Hemmschwelle“ erhöht werden, im Anschluss an ein Telefonat ohne Kenntnis und Vollmacht der Verbraucherinnen und Verbraucher einen Lieferantenwechsel einzuleiten.

Widerrufsrecht schützt Verbraucherinnen und Verbraucher bereits

Der Entwurf verkennt dabei, dass es in der Praxis bereits ein rechtliches Instrumentarium gibt, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern vor ungewollten Vertragsabschlüssen schützt: Das Widerrufsrecht. Bei telefonisch geschlossenen Verträgen besteht schon heute die Möglichkeit, sich noch zwei Wochen nach der Belehrung über das Widerrufsrecht, in manchen Fällen sogar noch später, vom Vertrag zu lösen.

Zudem wäre eine „Wechsel-Bestätigung“ als Alternative zur Bestätigungslösung deutlich praktikabler. Damit ist der textförmliche Nachweis gemeint, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern einen Vertragswechsel zu einem neuen Energielieferanten von ihrem Altanbieter wünschen. Für sie ist im Grunde entscheidend, dass der Altanbieter einen Vertragswechsel erst einleitet, wenn ihm der Wille zum Tarifwechsel in Textform vorliegt. Es würde insofern genügen, lediglich eine Wechsel-Bestätigung in das BGB aufzunehmen.

Bestätigungslösung hat weitreichende Konsequenzen

Es bleibt festzuhalten, dass die Bestätigungslösung Verbraucherinnen und Verbraucher dem Ergebnis nach endgültig entmündigt. Ihnen wird eine überlegte, schnelle Entscheidung hinsichtlich des Vertragsschlusses nicht mehr zugetraut. Insbesondere für diejenigen, die beim Abschluss von Verträgen Computerkommunikation nicht nutzen wollen oder können, hätte diese Gesetzesänderung längere Wartezeiten bis zum endgültigen Abschluss des Energieversorgungsvertrags zur Folge. Gerade sie sind jedoch häufig auf das Telefon angewiesen, wenn sie schnell Aufträge erteilen möchten. Für diese, oft älteren, Verbraucherinnen und Verbraucher, wäre die Einführung der verpflichtenden Genehmigung in Textform eine Belastung und eine Verschlechterung ihrer Rechtsposition. Ihnen wird die Möglichkeit genommen, schnell und effektiv einen Vertrag abzuschließen.

Schließlich würde auch die Wirtschaft unverhältnismäßig stark belastet werden. Für Unternehmen würden weitere Abwicklungsschritte nötig, die verschiedene Geschäftsprozesse und Vertragsabschlüsse verlangsamen würden. Zusätzlich entstünde größerer administrativer Aufwand, um je nach Form der Kontaktaufnahme Kundinnen und Kunden unterschiedlich zu trennen und Kundendaten separat zu verwalten.

Außerdem ist zu befürchten, dass die Einführung der Bestätigungslösung nur ein erster Schritt und eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Bestätigungslösung auch auf andere Branchen vorgesehen ist. Der Referentenentwurf spricht davon, dass die „Bestätigungslösung […] vorerst auf die Energiebranche, konkret auf Strom- und Gaslieferverträge beschränkt werden (soll).“ Sollte die Bestätigungslösung auf weitere Vertragsarten angewandt werden, würden noch viel größere Gruppen von Unternehmen, Verbänden und Verbraucherinnen und Verbrauchern betroffen sein. Es bleibt zu hoffen, dass das BMJV die Bestätigungslösung im laufenden Gesetzgebungsverfahren wieder aus dem Entwurf streicht.

Die wichtigsten Neuregelungen des Gesetzesentwurfs für faire Verbraucherverträge und ihre Auswirkungen besprechen wir in weiteren Blogbeiträgen: