Von Dr. Philipp Cepl und Dr. Sonja Mroß
Was Patentinhaber in Zeiten von Covid-19 beachten sollten
Das aktuelle Ausbruchsgeschehen der durch das neuartige Coronavirus SARSCoV-2 verursachten Krankheit COVID-19 macht auch vor dem Patentrecht keinen Halt mehr. Insbesondere Pharmaunternehmen und Hersteller von Medizinprodukten, wie etwa Atemgeräten oder Schutzausrüstungen, müssen durch den geplanten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drucks. 19/18111) zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (InfSG) mit einer Beschränkung ihrer Rechte aus deutschen sowie mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patente rechnen. Auch wenn mit derartigen Eingriffen wohl – wenn überhaupt – erst im Falle einer weiteren Verschlimmerung der Krise zu rechnen ist, sollten Patentinhaber vorbereitet sein.
1. Ausweitung der hoheitlichen Befugnisse zur Beschränkung des Patentrechts
Patentrechte sind Eigentum im Sinne der Verfassung, und schützen ihren Inhaber grundsätzlich nach Art. 14 GG vor der ungewollten Benutzung durch private Dritte, auch wenn dies hoheitlich handelnde öffentliche Stellen sind. Schranken gelten allerdings da, wo die Benutzung der Erfindung des Patentrechts im Interesse des Gemeinwohls als Ausprägung der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) für die Benutzung zugelassen wird. Erforderlich ist für einen solchen Eingriff jedoch eine ausdrückliche und ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage.
Eine solche Ermächtigungsgrundlage findet sich bereits seit langem in § 13 Abs. 1 PatG, der Einschränkungen des Patentschutzes ermöglicht, soweit dies aus sozialen Gründen, d.h. aus Wohlfahrtsgründen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 PatG) oder wegen der Gefährdung der Staatssicherheit (§ 13 Abs. 1 Satz 2 PatG), erforderlich ist. Der hier vornehmlich einschlägige Anwendungsfall der öffentlichen Wohlfahrt umfasst dabei grundsätzlich alle Fälle, in denen staatliche Fürsorge notwendig erscheint, und damit auch einen Fall des Notstands, der bei einer sich dynamisch entwickelnden Ausbruchssituation einer Pandemie wie im Fall von Covid-19 anzunehmen sein wird.
Mit dem geplanten Änderungsgesetz wird § 5 Nr. 5 InfSG n.F. zukünftig das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigen, nach § 13 Abs. 1 PatG anzuordnen, dass eine Erfindung in Bezug auf eines der in § 5 Nr. 4 InfSG n.F. vor der Aufzählung genannten Produkte zur Sicherheit des Bundes oder im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden kann. Bei diesen Produkten nach Nr. 4 handelt es sich um Arzneimittel, einschließlich Betäubungsmittel, Medizinprodukte, Labordiagnostik, Hilfsmittel, Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung und Produkte zur Desinfektion sowie zur Stärkung der personellen Ressourcen im Gesundheitswesen. Auch eine nachgeordnete Behörde kann beauftragt werden, die Anordnung zu treffen, woraus sich unmittelbare Konsequenzen für den Rechtsweg ergeben (siehe dazu unter 2.). Zur Begründung wird ausgeführt:
„Um im Krisenfall eine Versorgung mit Produkten sicherzustellen, kann auch die Wirkung eines Patentes nach § 13 PatG eingeschränkt werden, um beispielsweise lebenswichtige Wirkstoffe oder Arzneimittel herstellen zu können.“ (BT-Drucks. 19/18111, S. 26).
In ihrer Wirkung hat eine solche Benutzungsanordnung zur Folge, dass insoweit das Ausschließlichkeitsrecht (Verbotsrecht) des Patentinhabers und der anderen dinglichen Berechtigten (wie etwa Lizenznehmer im Falle einer ausschließlichen Lizenz) aufgehoben wird. Nach erfolgter rechtmäßiger Benutzungsanordnung darf die angeordnete Benutzung des Patents dann vom Bundesministerium oder der anordnenden Behörde selbst ausgeübt werden. Es steht aber auch im Ermessen der anordnenden Behörde, die Benutzung auf einen Dritten zu übertragen. Ein solcher Dritter kann auch ein Konkurrent sein, der in der Lage ist, die im Krisenfall benötigten, patentgemäßen Produkte, etwa Beatmungsgeräte, schneller oder in größeren Mengen zu produzieren.
2. Rechtsmittel und Fristen
Die Rechtsmittel gegen eine solche Anordnung sind beschränkt. Jede auf § 13 PatG gestützte Benutzungsanordnung kann mittels Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden. Wird die Benutzungsanordnung direkt durch das Bundesministerium für Gesundheit erlassen, ergibt sich dies unmittelbar aus § 13 Abs. 2 PatG, der von den Änderungen unberührt bleibt. Hinsichtlich Anordnungen durch nachgeordnete Behörden sind hingegen §§ 40, 42 VwGO einschlägig. In beiden Fällen gilt eine Monatsfrist ab Zugang der Anordnung. Während bei einer Anfechtung von Anordnungen des Bundesministeriums die Anfechtungsklage unmittelbar vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben kann, muss bei einer anordnenden nachgeordneten Behörde zunächst ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden (§§ 69, 70 VwGO), was gerade in der derzeitigen Situation erhebliche zeitliche Verzögerungen bedeuten dürfte. Erst nach Zustellung eines ablehnenden Widerspruchsbescheids kann dann (wiederum binnen Monatsfrist) Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht (nicht dem Bundesverwaltungsgericht) erhoben werden.
Anfechtungsberechtigt sind der Patentinhaber selbst sowie, soweit sein eigenes Nutzungsrecht berührt ist, der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz an einem Patent.
Die Anfechtungsklage hat aufschiebende Wirkung (§ 80 VwGO), es sei denn, dass die sofortige Vollziehung der Benutzungsanordnung besonders angeordnet ist, was bei einer Notstandsmaßnahme nicht einmal schriftlich zu begründen wäre (§ 80 Abs. 3 VwGO).
Die angerufenen Verwaltungsgerichte müssen die Voraussetzungen der Benutzungsanordnung prüfen, insbesondere, ob das Interesse der öffentlichen Wohlfahrt oder der Sicherheit des Bundes die angeordnete Benutzung des Patents erfordert. Da es sich insoweit um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, gilt hinsichtlich ihres Vorliegens kein Ermessensspielraum. Erfordert das Interesse der Allgemeinheit die Anordnung besteht dann allerdings ein Ermessensspielraum der zuständigen Behörde, der wiederum von den Verwaltungsgerichten nur begrenzt – auf Ermessensmissbrauch oder -überschreitung – überprüft werden kann.
3. Anspruch auf Entschädigung für Patentinhaber
Die Benutzungsanordnung nach § 13 PatG funktioniert als gesetzliche Ermächtigung zur Beschränkung der Rechte des Patentinhabers im Interesse der Allgemeinheit, die einer Enteignung gleich kommt. Daher sieht § 13 Abs. 3 PatG im Einklang mit Art 14 Abs. 3 GG eine Entschädigung vor. Schuldner ist der Bund, gegen den eine etwaige Vergütungsklage zu richten ist, und zwar auch dann, wenn die Benutzung des Patents durch Dritte angeordnet wurde.
Eine solche Entschädigung dürfte – im Vergleich zu einem Vorgehen gegen Patentverletzer in einem Patentverletzungsprozess vor den ordentlichen Gerichten – finanziell allerdings eine erhebliche Schlechterstellung von Patentinhabern nach sich ziehen. Die nach § 13 Abs. 3 PatG zu gewährende Entschädigung wird in der Praxis regelmäßig nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Schaden des Patentinhabers abbilden. Nachteilig könnte sich insofern auch auswirken, dass die Verwaltungsgerichte üblicherweise nicht mit Patentsachen befasst sind. Im besten Fall wird das Verwaltungsgericht die Berechnungsgrundlage der Lizenzanalogie als angemessen betrachten. Der sonst übliche Schadensersatzanspruch, der dem Pateninhaber die Möglichkeit bietet nach den Grundsätzen der dreifachen Schadensberechnung unter Umständen gar den gesamten Verletzergewinn fordern zu können, besteht im Falle der behördlichen Anordnung hingegen nicht.
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