Von Betina Fischer, Dr. Nico Brunotte und Jan-Hendrik Flis
Mit Urteil vom 27. April 2021 hat der Bundesgerichtshof (BGH – XI ZR 26/20) entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank , die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren, unwirksam sind. Das LG Köln hatte die Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände zunächst abgewiesen, der Bundesgerichtshof wich nun davon ab. Die Entscheidung kann weitreichende Auswirkungen auf nachträgliche Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben.
In its ruling of April 27, 2021, the German Federal Court of Justice (BGH – XI ZR 26/20) ruled that standard clauses in a credit institution’s General Terms and Conditions, which feign the customer’s consent to amendments to the General Terms and Conditions without any restriction on content, are invalid. The Cologne Regional Court had initially dismissed the action brought by the Federation of German Consumer Organizations, but the Federal Court of Justice has now deviated from this decision. The decision may have far-reaching effects on subsequent amendments to general terms and conditions.
Die Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof setzt sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob und in welchem Umfang eine an § 675g BGB angelehnte Klausel, wonach die Zustimmung von Bankkunden als erteilt gilt, wenn sie nicht innerhalb des vorgeschlagenen zweimonatigen Zeitpunkts des Wirksamwerdens von Änderungen ihre Ablehnung angezeigt haben, als unwirksam zu erachten ist oder Bankkunden mit ihrem Schweigen die geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank akzeptieren können.
Eine Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB ist – bei unionsrechtskonformer Auslegung – nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zunächst nicht durch § 675g BGB gesperrt, so dass eine – wie im streitgegenständlichen Fall – allein den formalen Anforderungen des § 675g BGB genügende Klausel nicht ohne Weiteres und damit vor allem unabhängig von den Anforderungen gem. §§ 307 ff. BGB wirksam ist. In der Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung des Verwendungsgegners der vom Verwender angetragenen Vertragsänderung läge eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB der Kunden der Bank.
Dass der Verwender mittels der Zustimmungsfiktion die von dem Verwendungsgegner zu erbringende Hauptleistung und damit das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu seinen Gunsten erheblich verschieben kann, führe zu einer Entwertung der Position des Verwendungsgegners. Vielmehr sei für solch eine weitreichende Gestaltung der vertraglichen Beziehung der Parteien anstelle einer fingierten Zustimmung der in seiner Position gefährdeten Partei ein Änderungsvertrag erforderlich, welcher die Voraussetzungen gem. §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB erfüllt. Der BGH lehnt zudem auch eine Aufteilung der Klausel in unwirksame und wirksame Bestandteile (sog. „blue pencil“-Test) ab, da eine sinngemäße Aufspaltung der Klausel nicht in Betracht käme.
Auch könne die Beklagte für sich keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, nur weil derartige Zustimmungsfiktionen bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beanstandet wurden. Höchstrichterliche Rechtsprechung schaffe keine mit Gesetzen vergleichbare Bindungen und der Verwender trage das Risiko, dass zunächst unbeanstandet gebliebene AGB später beanstandet würden.
Ausblick und Folgen für die Gestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Nutzungsbedingungen
Änderungsklauseln sind in der Regel ein fester Bestandteil von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auch von Nutzungsbedingungen digitaler Geschäftsmodelle. Anbieter möchten sich das Recht vorbehalten, Änderungen an bereits mit Kunden abgeschlossenen Nutzungsbedingungen vorzunehmen. Digitale Geschäftsmodelle starten oft mit beschränktem Umfang und entwickeln sich während der Nutzung durch den Kunden stetig fort. Dies kann zu weitreichendem Änderungsbedarf an Nutzungsbedingungen führen.
Bereits im Jahr 2007 hatte der BGH (III ZR 63/07) hinsichtlich Änderungsklauseln in AGB außerhalb der Banken-Branche entschieden, dass wesentliche Vertragsbestandteile nicht mittels Zustimmungsfiktion geändert werden können. Die aktuelle Entscheidung des BGH hat daher nicht nur in erster Linie weitreichende Wirkung für die Banken-Branche, da die in den angegriffenen Klauseln geregelte Zustimmungsfunktion im Wesentlich den Muster-Banken-AGB entspricht und damit das Massengeschäft der Kreditinstitute erfasst. Vielmehr untermauert die Entscheidung, welchen Argumenten der BGH im Rahmen einer Interessenabwägung zur Prüfung einer Widerlegung der vermuteten Abweichung vom wesentlichen Grundgedanken der §§ 305 Abs. 2, 311 Abs. 1, 145 ff. BGB eine Absage erteilt. Verwender von AGB sind daher nunmehr gehalten, ihre AGB so zu formulieren, dass das bei Vertragsschluss vereinbarte Äquivalenzverhältnis gewahrt bleibt und der Änderungsgegenstand weitestgehend konkretisiert wird. Leider ist nach wie vor unklar, wie eine rechtssichere Gestaltung in der Praxis branchenunabhängig erfolgen soll. Im Zweifel ist eine Änderungsklausel mit Zustimmungsfiktion unwirksam und es drohen insbesondere im Verbraucherverkehr Abmahnungen durch Verbraucherzentralen und Wettbewerber.