Von Dr. Nico Brunotte, LL.M. (Cambridge) und Florian Stendebach
Die Europäische Kommission arbeitet an einem Gesetz für digitale Dienste (engl. „Digital Services Act“), das die Haftungs- und Sicherheitsregeln für Plattformen im Internet neu gestalten soll. Aktuell läuft die öffentliche Konsultationsphase, in der sich Digitalunternehmen, Handelsvereinigungen und die allgemeine Öffentlichkeit am Gesetzgebungsprozess beteiligen können. Neben der verschärften Regulierung von großen Plattformbetreibern beabsichtigt die Kommission auch die Implementierung von strengeren Regeln für den Umgang mit illegalen Inhalten im Internet.
The European Commission is working on a Digital Services Act, which is intended to reform the liability and security rules for platforms on the Internet. The public consultation phase is currently in progress, during which digital companies, trade associations and the general public can participate in the legislative process. In addition to tighter regulation of major platform operators, the Commission also intends to implement stricter rules for dealing with illegal content on the Internet.
Müssen sich Digitalunternehmen bald auf „Notice-and-action” einstellen?
Ein erster Entwurf zum „Digitale-Dienste-Gesetz“ könnte bereits Ende dieses Jahres vorgestellt werden, wie Golem berichtet. Es wird wohl mutmaßlich darauf hinauslaufen, dass das neue Gesetz nicht nur auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (kleinerer) europäischer Internetdienste abzielen, sondern auch klarere Vorgaben dahingehend machen wird, wie Plattformen und Dienstanbieter mit illegalen Inhalten im Internet zukünftig verfahren sollen. Dies würde eine Neuerung im Vergleich zur E-Commerce-Richtlinie darstellen, die nach über 20 Jahren abgelöst werden soll.
Eine allgemeine Überwachungspflicht soll es nach Ansicht der Europäischen Kommission weiterhin nicht geben, das heißt, Plattformen müssten ihr Angebot auch zukünftig nicht proaktiv auf rechtswidrige Beiträge hin untersuchen, solange sie keinen entsprechenden Nutzerhinweis erhalten.
Allerdings könnte der Gesetzesentwurf Abstand vom derzeit gültigen „Notice-and-takedown“-Verfahren nehmen. Danach müssen Dienstanbieter erst aktiv dann werden und auf die Klärung bzw. Löschung rechtswidriger Sachverhalte hinwirken, wenn sie Kenntnis davon erlangen.
Das nun diskutierte „Notice-and-action“-Verfahren könnte erheblich weitergehen: Dieser Vorgang sieht vor, dass Plattformbetreiber dazu verpflichtet werden, ihr Angebot von bereits bekannten illegalen Inhalten freizuhalten, d.h. Inhalte, die sie bereits einmal gelöscht haben. Das hieße insbesondere auch, dass sie diesbezüglich proaktiv tätig werden müssten.
Wie diese Idee umgesetzt werden könnte, ist noch nicht bekannt. Denkbar ist jedoch, dass sich Plattformbetreiber eines Upload-Filtersystems bedienen, um das wiederholte Hochladen bereits gelöschter Beiträge zu verhindern. „Notice-and-action“ würde insofern zwar nicht auf eine allgemeine, aber dennoch auf eine eingeschränkte Überwachungspflicht hinauslaufen.
Für welche Beiträge könnte „Notice-and-action?“ gelten?
Das „Notice-and-action“-Verfahren könnte insbesondere bei Beiträgen mit terroristischem Bezug oder bei solchen, die einen pädokriminellen Inhalt aufweisen, zur Anwendung kommen. Ausgenommen wären Meinungsäußerungen, die nicht solcher Natur sind – diesbezüglich würde eine derartig umfassende Überwachungspflicht zu weit gehen.
Es bleibt insofern abzuwarten, welche speziellen Prüf- und Löschungspflichten auf Plattformbetreibern und Dienstanbieter in der Zukunft zukommen werden. Das neue Gesetz könnte in jedem Fall einen erheblichen unternehmerischen Mehraufwand bedeuteten. Wir halten Sie daher über die weitere Entwicklung fortlaufend informiert.
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