“YouTube” to “uploaded” – Haftung von Hosting-Plattformen vor dem EuGH

Von Gabriele Engels, LL.M.

In zwei Verfahren betreffend die Haftung von Hosting-Plattformbetreibern für urheberrechtsverletzende Inhalte strebt der BGH (Bundesgerichtshof, Az. I ZR 140/15 und I ZR 53/17) die Beantwortung inhaltlich ähnlicher Vorlagefragen durch den EuGH (Gerichtshof der Europäischen Union) an. Im Zentrum steht die Klärung des Begriffs der “öffentlichen Wiedergabe” im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie und des Anwendungsbereichs des Hosterprivilegs der E-Commerce Richtlinie durch den EuGH.

English Summary

In two proceedings dealing with the liability of hosting platform operators for copyright infringing content, the German Federal Supreme Court (BGH, docket nos. I ZR 140/15 and I ZR 53/17) seeks to have answered various fundamental questions. At its core lies the clarification by the Court of Justice of the European Union (CJEU) of the concept of “communication to the public” within the meaning of the Copyright Directive (2001/29/EC) and the scope of the liability exemption for host-providers of the E-Commerce Directive (2000/31/EC).

Hintergrund und Vorlagefragen

Im Mittelpunkt der beiden Verfahren stehen der Access-Provider “YouTube” und der Sharehost-Dienst “Uploaded”. Nachdem mehrfach urheberrechtlich geschützte audiovisuelle Musikaufnahmen auf der Internetplattform “YouTube” eingestellt wurden, verklagte ein Rechteinhaber die Betreiber der Seite auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht. Ebenso wurde der Anbieter von kostenlosem Speicherplatz – “Uploaded” – aufgrund der urheberrechtsverletzenden Inhalte, welche Nutzer auf die Plattform hochladen und dort anderen Nutzern zugänglich machen können, in Anspruch genommen. Nachdem die Rechteinhaber ihre Ansprüche bis vor den BGH verfolgten, stellt sich diesem nun die Frage der eigenen täterschaftlichen Haftung der Plattformen im Lichte der EU-Vorgaben. Zur Klärung legt der BGH dem EuGH eine Reihe sehr differenzierter Fragen vor:

Öffentliche Wiedergabe – Art. 3 Abs. 1 Urheberrechtsrichtline (2001/29/EG)

Stellt die Veröffentlichung urheberrechtsverletzender Inhalte durch Plattformen, welche den Merkmalen von YouTube bzw. Uploaded entsprechen, eine Wiedergabe dar?

In seinen Fragestellungen, listet der BGH ausführlich die einzelnen, definierenden Merkmale der zwei Plattformen auf und präsentiert dem EuGH somit die Gelegenheit differenziert und nuanziert eine Unterscheidung zwischen der Haftung von verschiedenen Arten von Providern zu treffen. Somit besteht die Möglichkeit einer Weiterentwicklung der “The Pirate Bay” (C-610/15) und “Filmspeler” (C-527/15) Entscheidungen durch den EuGH.

Nach Auffassung des BGHs ergibt sich bereits hier eine unterschiedliche Handhabung der zwei Plattformbetreiber: während YouTube keine zentrale Rolle bei der Übermittlung rechtsverletzender Inhalte einnimmt, solange solche Inhalte nach Erlangung der Kenntnis unverzüglich gelöscht oder gesperrt werden, wird Uploaded eine derartige Rolle zugesprochen. Aufgrund der – der Betreiberin bekannten – ständig wachsenden Zahl von urheberrechtsverletzenden Inhalten auf der Plattform des Sharehost-Dienstes, welche vermeintlich bis zu 96% der Gesamtinhalte darstellen, könnte eine Veröffentlichung nach Ansicht des I. Zivilsenats in diesem Falle als ein “öffentliche Wiedergabe” angesehen werden.

Hosterprivileg – Art. 14 Abs. 1 E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG)

Im Falle, dass eine solche Veröffentlichung keine Wiedergabe darstellen sollte, stellt sich dem BGH weiterhin die Frage, ob die Tätigkeit einer solchen Internetvideoplattform in den Anwendungsbereich des Hosterprivilegs fällt, d.h. ob sich die Betreiber auf eine neutrale Rolle beschränken. Nach Auffassung des BGHs, fällt YouTube nicht in den Anwendungsbereich des Privilegs, zu Uploaded äußert er sich nicht explizit.

Falls es sich bei einer Veröffentlichung jedoch um eine Wiedergabe handeln sollte, ist zu klären, ob sich “Kenntnis” im Sinne des Art. 14 auf konkrete Verstöße (z.B. die spezifische URL eines Videos) bezieht. Dies ist nach Ansicht des Senats der Fall.

Gerichtliche Anordnung erst nach Wiederholung der Rechtsverletzung

Ferner steht die Vereinbarkeit des Art. 8 Abs. 3 Urheberrechtsrichtlinie mit der Voraussetzung zur Debatte, dass ein Rechteinhaber grundsätzlich erst dann eine einstweilige Verfügung beantragen kann, wenn es nach Kenntnis des Betreibers wiederholt zu einer Rechtsverletzung gekommen ist. Auch hier würde der BGH die Frage bejahen und einem Diensteanbieter keine allgemeine aktive Überwachungs- oder Forschungsverpflichtung auferlegen, was grundsätzlich Art. 15 E-Commerce Richtlinie entspricht. Danach sollen u.a. Hosting Providern keine allgemeine Verpflichtungen auferlegt werden, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Verletzer-Haftung – Durchsetzungsrichtlinie (2004/48/EG)

Weiterhin setzt sich der BGH mit Fragen der Schadensersatzhaftung im Sinne der Durchsetzungsrichtlinie auseinander.

Sollten alle vorangegangenen Fragen verneint werden, fragt der BGH weiter, ob eine Internetvideoplattform als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 anzusehen ist. Bei einer Bejahung dieser Frage, stellt sich dem Senat letztlich die Frage, ob es im Einklang mit Art. 13 Abs. 1 steht, die Gewährung von Schadenersatz davon abhängig zu machen, ob der Verletzer in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten mindestens hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen. Der Senat möchte also klären, ob Kenntnis oder Kennenmüssen von der konkreten Verletzungshandlung erforderlich ist oder, ob für ein Verschulden bereits genügt, dass der Plattform-Betreiber bewusst eine gefährdende Handlung vornahmen und allgemein mit rechtswidrigen Nutzungen rechnete.

Digital Single Market Strategie und Fazit

Weitreichende Auswirkungen kann die Beantwortung dieser Fragen insbesondere im Lichte der im Zuge der “Digital Single Market Strategy” aktuell angestrebten EU-Urheberrechtsreform haben. Der kürzlich durch das EU Parlament angenomme Entwurf für eine neue Urheberrechtsrichtlinie sieht die Einführung einer generellen eigenen täterschaftlichen Haftung von Plattformen für die hochgeladenen Inhalte ihrer Nutzer vor. Im Lichte dieses Entwurfs würde sich zumindest eine Tendenz in Richtung der Bejahung der Fragen bezüglich der Verletzer-Haftung i.R.v. Durchsetzungsrichtlinie aufzeigen.

Insbesondere mit Blick auf die “The Pirate Bay” Rechtsprechung des EuGH, wird die Beantwortung der Vorlagefragen mit Spannung erwartet, da diese eine Weiterentwicklung dieser grundlegenden Entscheidung darstellen wird. Angesichts dessen, dass sich die zwei Plattformen in Bezug auf ihren Aufbau in einigen wichtigen Punkten unterscheiden, ist eine differenzierte Auseinandersetzung des EuGHs mit ihrer Haftung wünschenswert, um Rechtsklarheit für die verschiedenen facettenreichen Host-Plattformen zu schaffen.