“Bekömmliches” Bier? – Unzulässige Werbeaussagen für alkoholische Getränke

von Gabriele Engels, LL.M.

Alkoholische Getränke unterliegen den besonderen Vorschriften für gesundheits- und nährwertbezogene Angaben. Im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln sind gesundheitsbezogene Angaben (sog. health claims) bei Getränken mit mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol verboten. Eine Brauerei bewarb ihr Bier als “bekömmlich”, woraufhin ein Verbraucherschutzverband gerichtlich gegen die Werbung vorging. Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 17. Mai 2018 – I ZR 252/16) entschied, dass Artikel 4 Abs. 3 (a) der sog. Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) sowohl auf die Etikettierung als auch die Werbung Anwendung findet. Zudem sei “bekömmlich” so zu verstehen, dass das Bier als gesund und ohne negative Auswirkungen für den Konsumenten angepriesen wird. Der durchschnittliche Verbraucher würde den Slogan nicht nur als Aussage zum Geschmack des Bieres verstehen. Folglich wurde die Werbung als unzulässig bewertet.

English Summary

 Advertisements for beverages containing alcohol are subject to special provisions regulating health and nutrition claims. In contrast to advertisement for other foods, health claims are forbidden on beverages with more than 1,2% volume of alcohol. A brewery promoted its beer with the claim “bekömmlich” (digestible, wholesome), which was brought before the Germany courts by a consumer protection association. The Federal Supreme Court (BGH, judgment of 17 Mai 2018 – I ZR 252/16) decided that Article 4 (3)(a) of the so-called Health Claims Regulation (Regulation (EC) No 1924/2006) applies to product labels as well advertisements. Furthermore, the word “bekömmlich” is to be interpreted as claiming that the beer is healthy and has no negative effect on the consumer. The average consumer would not understand the claim only to relate to the taste of the beer, but also to “conducive and easy to digest”. Thus, the advertisement was considered unlawful.

Hintergrund

Die Grenzen zulässiger Werbung sind bei alkoholischen Getränken mit Blick auf das Sucht- und Gefahrenpotenzial von Alkohol enger gefasst als bei anderen Lebensmitteln. Gesundheitsbezogene Werbung scheidet bei ihnen grundsätzlich aus. Das schließt allerdings nicht jede positive Werbeaussage aus, die keinen Gesundheitsbezug hat und das allgemeine Wohlbefinden betrifft. Insoweit ist der Anwendungsbereich der Health-Claim-Verordnung nicht eröffnet. Entscheidend ist daher die Abgrenzung zwischen einer auf Qualität und Eigenschaften wie Geschmack abzielenden und einer Aussage, die auf den Gesundheitszustand des Verbrauchers bezogen ist. Hierfür ist, wie in anderen Zusammenhängen auch, das Verständnis der maßgeblichen Verkehrskreise entscheidend. Im Falle der Bierwerbung ist das der Durchschnittsverbraucher, dessen Verständnis dann Gegenstand richterlichen Beurteilung ist.

 

Entscheidung

Der BGH hat die Bierwerbung als unzulässig angesehen. Dabei bestimmt der BGH zunächst den Umfang des Verbots gesundheitsbezogener Werbung dahingehend, dass er nicht nur die entsprechende Etikettierung, sondern jede Form der Werbung umfasst. Sodann wird der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe präzisiert. Eine solche liegt zunächst vor, wenn zum Ausdruck gebracht wird, der Verzehr des Lebensmittels (hier: des Bieres) eine Verbesserung des Gesundheitszustands mit sich bringe. Weitergehend werden aber auch Fälle einbezogen, in denen (lediglich) der Eindruck erweckt wird, das Produkt habe keine negativen Auswirkungen, die in anderen Fällen mit dem Verzehr einhergehen könnten.

Dies sei bei dem Slogan “bekömmlich” der Fall. Bekömmlich sei nach dem Verständnis der Verbraucher als “gesund”, “zuträglich” und “leicht verdaulich” zu verstehen. Damit werde suggeriert, der Konsum sei gut verträglich und das Bier werde im Verdauungssystem gut aufgenommen. Diese Interpretation des Begriffes “bekömmlich” sei auch für die angegriffene Werbung zutreffend. Bekömmlich werde von den Verbrauchern nicht nur als Aussage über den Geschmack des Bieres verstanden. Damit liege eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe vor.

 

Folgen und Praxishinweis

Das Urteil des BGH bewegt sich auf einer eher strengen Linie. Die sprachliche Mehrdeutigkeit des Wortes “bekömmlich” löst er zugunsten derjenigen Deutung auf, die als gesundheitsbezogen verboten ist. Unerwähnt ließ der BGH auch den Einwand, dass den meisten Verbrauchern wohl die schädliche Wirkung von Alkohol bekannt ist, weswegen das Verständnis von Bekömmlichkeit als gesundheitsfördernd zweifelhaft sei.

Der Kreis von zulässigen Aussagen über das allgemeine, nicht gesundheitsbezogene Wohlbefinden wird demnach im Zweifel enger zu ziehen sein. Die Gleichstellung der fehlenden oder geringer ausfallenden Schädlichkeit mit der Gesundheitsverbesserung bedeutet eine nicht unerhebliche Erweiterung, die auch außerhalb der strengen Regeln für Alkoholprodukte relevant werden könnte. Insofern ist abzuwarten, wie die Rechtsprechung des BGH sich entwickeln wird.