Erste Gerichtsentscheidung zu immateriellem Schadensersatz nach der DSGVO

Von Jan Spittka und Salome Peters

Das Amtsgericht Diez (Schlussurteil vom 07.11.18, Aktenzeichen 8 C 130/18) hat als erstes deutsches Gericht eine Entscheidung zu immateriellem Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO getroffen. Im Kern ging es um die Frage der Angemessenheit eines Schadenersatzanspruches wegen einer einzelnen, gegen Vorschriften der DSGVO verstoßenden, E-Mail.

Germany: First court decision on claim for immaterial damages under GDPR

 The Local Court (Amtsgericht) Diez (in a final decision dated 7 November 18, case number 8 C 130/18) was the first German court to decide on a claim for immaterial damages under Art. 82 (1) GDPR. The main question was the reasonability of a claim for damages on account of a single email that violated the provisions of the GDPR – click here for the complete English version.

Der Kläger erhielt am 25.05.2018 von der Beklagten eine E-Mail, in der seine Einwilligung zum Bezug eines E-Mail Newsletters angefragt wurde. In Deutschland stellt solch eine E-Mail Spam und darüber hinaus einen Verstoß gegen die DSGVO dar.

Spürbare Beeinträchtigung erforderlich

Der Kläger begehrte daraufhin die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von € 500,00  von der Beklagten gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO aufgrund eines ihm entstandenen, nicht näher benannten, immateriellen Schadens.

Das Gericht hat die Klage im Ergebnis abgewiesen, da der Kläger bereits eine Zahlung in Höhe von € 50,00  von der Beklagten erhalten hatte, und ein darüber hinausgehendes Schmerzensgeld nicht mehr angemessen gewesen sei.

Aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO ginge bereits hervor, dass ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO, ohne den Eintritt eines Schadens, nicht direkt zu einer Haftung des Verantwortlichen führe. Zwar sei eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht erforderlich, es muss dem Betroffenen allerdings “ein spürbarer Nachteil entstanden sein” und es muss um eine “objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen”.

Sofern ein Schmerzensgeldanspruch bestand, sei dieser mit dem von der Beklagten anerkannten Betrag in Höhe von € 50,00  abgegolten gewesen.

€ 50,00 mal x?

€ 50,00 sind im Einzelfall nicht viel. Verantwortliche werden solche E-Mails im Regelfall allerdings nicht an einzelne Personen, sondern vielmehr an mehrere hundert oder tausend Adressaten versenden und könnten sich dadurch deutlich höheren Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die neu eingeführte Musterfeststellungsklage genutzt wird, um für gegenüber Verbrauchern begangene DSGVO-Verstöße Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Verbraucherverbände können versuchen, den Verstoß im Wege der Musterfeststellungsklage gerichtlich feststellen zu lassen und einen Vergleich für die angemeldeten Verbraucher schließen. Diese „Multiplikatoren“ sollten in Zukunft bei der Planung von E-Mail-Werbekampagnen berücksichtigt werden.

Chance für EuGH-Vorlage verpasst

Das AG Diez lehnte zudem die, vom Kläger angenommene, Vorlagepflicht zum EuGH nach Art. 267 AEUV ab, da es den Anwendungsbereich nicht eröffnet sah. Allerdings verkannte das Gericht, dass auch die DSGVO unter die Handlungen eines Organs fällt und der Anwendungsbereich demnach sehr wohl eröffnet gewesen wäre. Art. 267 AEUV umfasst unstreitig das gesamte gemeinschaftliche Sekundärrecht. So verpasste das AG Diez, als letztinstanzliches Gericht in diesem Verfahren, die Chance die Frage nach der Angemessenheit eines immateriellen Schadensersatzes nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO dem EuGH vorzulegen und auf unionsrechtlicher Ebene klären zu lassen.