Bundesarbeitsgericht zum Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO – trotz fehlender Entscheidung in der Sache wichtiger Wegweiser für die Praxis

Von Katharina Pauls und Dr. Katia Helbig

In einem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheidenden Rechtsstreit hatte das Gericht Gelegenheit, über den höchst umstrittenen Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO zu entscheiden. Konkret ging es um die Frage, ob bzw. inwieweit Art. 15 DSGVO ein Recht auf Erteilung von E-Mail-Kopien gewährt. Diese Frage wird insbesondere im Beschäftigungskontext kontrovers diskutiert. Eine Entscheidung in der Sache erging jedoch nicht, denn das Gericht hielt die Klage bereits für zu unbestimmt und wies sie daher als unzulässig ab. Dieses Ergebnis ist indes nur auf den ersten Blick enttäuschend – die Entscheidung des BAG dürfte vielmehr einen wichtigen Wegweiser für den Umgang mit Auskunftsansprüchen bilden und wird hoffentlich zumindest teilweise für ein Umdenken sorgen.

In a legal dispute to be decided by the German Federal Labor Court, the court had the opportunity to rule on the highly controversial scope of the right to information under Art. 15 GDPR. Specifically, the issue was whether or to what extent Art. 15 GDPR grants a right to receive copies of e-mails. This question is controversially discussed, particularly in the employment context. A decision on the merits was not issued, however, because the court already considered the claim to be too vague and therefore dismissed it as inadmissible. This result, nevertheless, is disappointing only at first glance. Rather, the decision is likely to provide an important guidepost for dealing with information claims and will hopefully, at least in part, cause a rethink.

Umfang von Art. 15 DSGVO bislang ungeklärt

Der Umfang datenschutzrechtlicher Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO ist äußerst umstritten. Dies gilt insbesondere im Beschäftigungskontext, in dem die Beantwortung von Auskunftsanfragen aufgrund der Vielzahl vorhandener Daten Arbeitgeber immer wieder vor eine Herausforderung stellt. Offen ist bisher unter anderem, ob bzw. inwieweit Arbeitgeber gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO Kopien von E-Mails zur Verfügung stellen müssen, die den in Frage stehenden Arbeitnehmer betreffen. Dies würde – insbesondere bei einer Vielzahl von E-Mails – einen ganz erheblichen Aufwand bedeuten, da auf Basis der gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen des Auskunftsanspruchs im Einzelfall jeweils zunächst geprüft werden müsste, ob eine E-Mail diesem Anspruch unterfällt und einzelne Worte bzw. Passagen daher geschwärzt werden müssen oder die E-Mail möglicherweise gar ganz vom Anspruch ausgenommen ist.

Es überrascht daher nicht, dass sich insbesondere ehemalige Arbeitnehmer den Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO und hier insbesondere das Recht auf Kopie aus dessen Abs. 3 im Streitfall häufig zunutze machen, um Druck auf ihren (ehemaligen) Arbeitgeber auszuüben und eine schnelle und aus ihrer Sicht erfolgreiche Beendigung der Streitigkeit herbeizuführen.

Nachdem sich die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung bisher überwiegend uneinheitlich zum Umfang des Auskunftsanspruchs geäußert hat (vgl. z.B. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18 und ArbG Bonn, Urt. v. 16.7.2020, Az. 3 Ca 2026/19), hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun die Möglichkeit, für Klarheit zur sorgen.

Vom BAG zu entscheidender Sachverhalt

Hintergrund der nunmehr ergangenen Entscheidung des BAG (2 AZR 342/20) war die Klage eines Wirtschaftsjuristen, der sich gegen seine Kündigung wandte und in diesem Zuge – wie so oft der Fall – auch einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend machte. In letzter Instanz ging es insoweit nur noch um die Frage, ob die (ehemalige) Arbeitgeberin dazu verpflichtet war, dem Kläger aufgrund von Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie der gesamten E-Mail-Korrespondenz zu überlassen, die er selbst geführt hat oder in der er namentlich genannt wurde. Dies hatte das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urt. v. 9.6.2020 – 9 Sa 608/19) mit der Argumentation, der Anspruch auf Erteilung einer Kopie gehe nicht weiter als die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO geregelten Pflichtangaben, verneint.

Entscheidung des BAG

Das BAG wies die Klage auf Überlassung einer Kopie der E-Mail-Korrespondenz ab. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Umfang von Art. 15 DSGVO unterblieb jedoch, da das Gericht bereits den Klageantrag für zu unbestimmt i.S.v. § § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hielt. Mangels Konkretisierung des Klageantrags sei unklar geblieben, Kopien welcher E-Mails die Beklagte im Einzelnen dem Kläger hätte überlassen müssen. Hierfür wäre nach Ansicht des BAG vielmehr erforderlich gewesen, dass der Kläger die begehrten E-Mails so genau bezeichne, dass unzweifelhaft feststehe, auf welche E-Mails er sich hiermit beziehe. Eine Vollstreckung des Urteils auf Basis des gestellten Klageantrags sei nicht möglich gewesen und die Klage dementsprechend bereits als unzulässig abzuweisen.

Trotz fehlender Entscheidung zum Inhalt von Art. 15 DSGVO richtungsweisende Aussage zur Bestimmtheit des Auskunftsersuchens

Auch wenn zunächst einmal enttäuscht, dass sich das BAG nicht zum Umfang von Art. 15 DSGVO bzw. konkret dem Recht auf Kopie aus dessen Abs. 3 geäußert hat, so dürfte die Entscheidung in der Praxis doch durchaus von wegweisender Natur sein.

Es ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmer ihre Auskunftsersuchen in der Zukunft – zumindest im Hinblick auf das problematische Thema Kopien von E-Mails – deutlich stärker konkretisieren müssen. Tun sie dies nicht und verweigern die Arbeitgeber daraufhin die Erteilung der Auskunft auf Basis mangelnder Bestimmtheit, droht letzteren zumindest vor den Arbeitsgerichten kein Unterliegen mehr. Dementsprechend kommt in diesen Fällen insoweit auch keine Verurteilung der Arbeitgeber zur Zahlung eines Schadensersatzes in Betracht. In jüngerer Zeit hat es solche Verurteilung aufgrund von unvollständigen Auskünften vermehrt gegeben. Wenn aber der Antrag auf Erteilung der Auskunft schon zu unbestimmt ist und der Arbeitgeber nicht erkennen kann, was hiervon umfasst sein soll, so kommt auch ein Schadensersatz wegen vermeintlich unvollständiger Erteilung der Auskunft nicht in Betracht.

Eine Konkretisierung der Auskunftsersuchen in Bezug auf die Vorlage von Kopien von E-Mails dürfte deren Bearbeitung durch den Arbeitgeber zudem ungemein erleichtern. Dies nicht zuletzt, weil kaum damit zu rechnen ist, dass sich ein Arbeitnehmer die Mühe macht, eine umfangreiche Liste mit im Einzelnen spezifizierten E-Mails zu erstellen; die Anzahl der zu prüfenden Unterlagen dürfte damit rapide abnehmen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung des BAG auch Auswirkungen auf die Praxis der deutschen Datenschutzbehörden haben wird. Diese haben den Umfang des Auskunftsanspruchs bisher ebenso uneinheitlich beurteilt wie die Rechtsprechung. Während manche Behörden praxisnah und im Einklang mit der Entscheidung des BAG bereits in der Vergangenheit eine Konkretisierung der Auskunftsersuchen forderten, gingen andere davon aus, dass die bloße Bezugnahme auf sämtliche vorhandene E-Mails oder gar die Bezugnahme auf die Herausgabe sämtlicher Unterlagen, die den Arbeitnehmer betreffen, bereits genügen sollte, um den Arbeitgeber zum Tätigwerden zu verpflichten. Zwar bindet die Entscheidung des BAG die Datenschutzbehörden nicht. Doch dürfte auch den Behörden an einer einheitlichen Handhabung im Einklang mit den Vorgaben der Rechtsprechung gelegen sein. Es bleibt daher abzuwarten, inwieweit die Behörden ihre Praxis zum Umfang des Auskunftsanspruchs künftig anpassen. Sollte eine Anpassung nicht erfolgen und die Behörde trotz Unbestimmtheit des Auskunftsersuchens ein Bußgeldverfahren gegenüber dem Arbeitgeber einleiten, so könnten und sollten sich Arbeitgeber sich im nachfolgenden Verfahren auf die BAG-Entscheidung berufen. Denn ignorieren können die Behörden die Entscheidung (spätestens im Rahmen des Opportunitätsprinzips) auch nicht; und notfalls wäre ein später zuständiges Amts- oder Landgericht mit dem Rückenwind der BAG-Entscheidung neu zu befassen.