EU-Kommission stellt Entwurf für Green-Claims-Richtlinie vor

Von Prof. Dr. Stefan Engels, Dr. Philipp Eichenhofer und Jeremy Heeck

Mit einer Green-Claims-Richtlinie will die Europäische Kommission irreführendem Greenwashing von Unternehmen den Kampf ansagen. Durch verschärfte Anforderungen an die Fundierung und Darstellung sollen umweltbezogene Aussagen in der Werbung verlässlicher werden und dadurch Verbrauchern einen nachhaltigeren Konsum ermöglichen. Die Vorgaben sollen durch scharfe Sanktionen durchgesetzt werden. Unternehmen sollten sich schon jetzt auf die kommenden Änderungen einstellen.

With its proposal for a Green Claims Directive, the European Commission wants to combat misleading greenwashing by companies. Stricter requirements aim to make environmental claims in advertising more reliable and enable consumers to consume more sustainably. The requirements are planned to be enforced by tough sanctions. Companies should already prepare themselves for the coming changes.

Greenwashing im Fokus der Kommission

Am 22. März 2023 hat die Europäische Kommission Regelungen für umweltbezogene Werbeaussagen vorgestellt. Der Entwurf der „Green-Claims“-Richtlinie war schon im vergangenen Jahr erwartet worden, wurde aber mehrfach verschoben. Die Initiative ist bekanntermaßen Teil des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft, einer der Bestandteile des Europäischen „Green Deals“.[1] Schon im März 2022 hatte die Kommission den Entwurf einer Richtlinie „zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ vorgelegt, mit der insbesondere die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken angepasst werden soll. Mit der jetzigen Initiative will die Kommission nun dem Greenwashing von Unternehmen vorbeugen, die sich und ihre Produkte umweltfreundlicher darstellen, als sie in Wirklichkeit sind. Aufgrund verschärfter und einheitlicher Anforderungen sollen Verbraucher künftig auf die Zuverlässigkeit von Umweltaussagen in der Werbung stets vertrauen können. Zugleich erhofft sich die Kommission einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, die sich ernsthaft um die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte bemühen.

Vorgaben an die Substantiierung und Kommunikation von umweltbezogenen Werbeaussagen

Der Richtlinienentwurf legt einheitliche Mindestanforderungen für Umweltaussagen in der Werbung fest. Als Umweltaussage versteht die Richtlinie dabei jede Aussage oder Darstellung, in der angegeben wird, dass ein Produkt oder Unternehmen eine positive oder keine Auswirkung auf die Umwelt hat oder weniger umweltschädlich ist als andere – zum Beispiel die Werbung für „nachhaltige“, „umweltfreundliche“ oder „CO2-neutrale“ Produkte. Nicht erfasst sind Umweltaussagen, die bereits durch speziellere EU-Vorschriften geregelt werden, etwa das EU-Energieeffizienzlabel. Nur Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von unter 2 Mio. Euro sind von den Vorgaben ausgenommen.

Fundierung und Überprüfung von Umweltaussagen

Der Richtlinienvorschlag sieht spezifische Kriterien vor, die Unternehmen einhalten müssen, bevor sie sich in der Werbung äußern. Umweltaussagen sollen zukünftig anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse belegt und vorab von unabhängigen, akkreditierten Stellen überprüft werden. Wie dieser Beleg auszusehen hat, hängt von der Art der Behauptung ab. Ermittelt werden müssen die jeweils relevanten Umweltauswirkungen. Entgegen anfänglicher Überlegungen legt sich die Kommission dabei nicht auf eine einheitliche Methodik fest.

Anforderungen an die Darstellung

Die Richtlinie soll zudem sicherstellen, dass Umweltaussagen klar und verständlich kommuniziert werden. So müssen Unternehmen bei der in letzter Zeit besonders häufig diskutierten Werbung für „klimaneutrale“ Produkte zukünftig transparent darüber informieren, zu welchem Anteil die behauptete Klimaneutralität auf Kompensationsmaßnahmen beruht. Umweltaussagen, die sich pauschal auf die gesamten Umweltauswirkungen eines Produktes beziehen, sollen nicht zulässig sein. Die für die Umweltaussage relevanten Informationen über das Produkt oder das Unternehmen sollen zusammen mit ihr in physischer Form oder mittels eines Links oder QR-Codes zur Verfügung gestellt werden.

Regelungen für Umweltlabel

Zudem nimmt sich die Kommission der Flut an Umweltlabeln an, die inzwischen in der EU verwendet werden. Neue private Umweltzeichen müssen vorab genehmigt werden und sollen nur noch dann zulässig sein, wenn damit ambitioniertere Umweltziele als mit den bestehenden Labeln verfolgt werden. Allgemeinen müssen alle Umweltlabel von Dritten regelmäßig kontrolliert werden.

Unternehmen drohen strenge Sanktionen

Nach dem Richtlinienentwurf sollen die Mitgliedstaaten nicht nur entsprechende Verfahren zur Überprüfung und Durchsetzung der Vorgaben einführen. Sie sollen auch „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktionen festlegen, die bei Verstößen gegen die Vorgaben der Richtlinie angewendet werden. So sollen Verbraucherorganisationen die (bis zum 25. Juni 2023 in den Mitgliedstaaten einzuführende) Verbandsklage auch bei Verstößen gegen die Green-Claims-Richtlinie erheben können, um die Kollektivinteressen der Verbraucher zu schützen. Darüber hinaus drohen Unternehmern, die mit irreführenden Umweltaussagen werben, potenziell hohe Bußgelder. Nach dem Entwurf sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass bei der Verhängung von Sanktionen die höchste Geldbuße mindestens 4 % des Jahresumsatzes des betroffenen Unternehmens beträgt.

Wie geht es jetzt weiter?

Über den Vorschlag der Kommission wird nun im Europäischen Parlament und im Rat beraten. Wie lange das Verfahren dauern wird, ist noch nicht absehbar. Abzuwarten bleibt auch, welche inhaltlichen Änderungen noch erfolgen. Die Pflicht zur vorherigen Überprüfung und Zertifizierung von Werbeaussagen dürfte auch die verfassungsrechtliche Frage aufwerfen, inwieweit sie mit der Meinungsfreiheit der Unternehmen vereinbar ist. Wird die Richtlinie erlassen, muss der nationale Gesetzgeber die Vorgaben innerhalb von 24 Monaten umsetzen. Auch wenn es bis dahin noch eine Weile dauert, ist schon jetzt klar: Die Anforderungen an die Umweltwerbung werden verschärft. Mit den neuen Vorgaben will die Kommission für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen und die Rechtsunsicherheit für Unternehmen verringern. Gleichzeitig werden die Regelungen für werbende Unternehmen einen größeren Aufwand mit sich bringen. Werbetreibende sollten die weitere Entwicklung daher eng im Blick behalten.

[1] Siehe dazu die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 11. Dezember 2019, abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_19_6691.