BGH: Pflicht zur Verwendung von Klarnamen für die Nutzung in sozialen Netzwerken unzulässig

Von Prof. Dr. Stefan Engels und Jeremy Heeck

Mit Urteilen vom 27. Januar 2022 hat der Bundesgerichtshof (BGH – III ZR 3/21 und III ZR 4/12) entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingung eines sozialen Netzwerks unwirksam sind, die für die Nutzung eine Pflicht zur Verwendung von Klarnamen vorsehen. Anders verhalte es sich mit der Verpflichtung, den Account unter dem tatsächlichen Namen anzumelden. Das OLG München hatte zuvor die Klarnamenpflicht noch für zulässig gehalten, der Bundesgerichtshof wich nun davon ab. Ob die Entscheidung, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ergangen ist, auch für Nutzer gilt, die sich nach dem 25. Mai 2018 bei einem sozialen Netzwerk angemeldet haben, ist damit allerdings noch nicht geklärt.

In rulings issued on January 27, the German Federal Court of Justice (BGH – III ZR 3/21 and III ZR 4/12) ruled that clauses in the general terms and conditions of a social network that force users to use their real names are invalid. However, it is not illegal to ask for real name when setting up the account. The Munich Higher Regional Court (OLG) had previously considered the obligation to use a real name to be permissible, but the BGH has now deviated from this decision. However, it remains unclear whether the ruling, which was issued on the legal situation before the General Data Protection Regulation (GDPR) came into force, also applies to users who have registered with a social network after May 25, 2018.

Hintergrund

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lagen zwei ähnlich gelagerte Fälle aus dem Jahr 2018 zugrunde. Die Beklagte war in beiden Fällen das soziale Netzwerk Facebook. In ihren Nutzungsbedingungen sah das Netzwerk vor, dass Kontoinhaber ihren wahren Namen angeben mussten, den sie auch im täglichen Leben verwendeten.

Im ersten Fall hatte der Kläger sich als Nutzer bei dem sozialen Netzwerk unter Verwendung eines Pseudonyms angemeldet. Da es sich dabei nicht um seinen Klarnamen handelte, wurde sein Nutzerkonto im März 2018 gesperrt. Die Beklagte gab das Konto erst wieder frei, nachdem der Kläger seinen Profilnamen geändert hatte. Der Kläger verlangte daraufhin, sein Nutzerkonto auch bei Änderung seines Profilnamens in ein Pseudonym nutzen zu können. Das LG Traunstein wies die Klage jedoch ab. Auch die Berufung vor dem OLG München brachte keinen Erfolg.

Auch im zweiten Fall hatte die Klägerin ein Pseudonym bei der Registrierung verwendet. Da sie sich auch nach Aufforderung weigerte, ihren Profilnamen zu ändern, sperrte die Beklagte ihr Nutzerkonto im Januar 2018. In der Folge verlangte sie die Entsperrung ihres Kontos. Das LG Ingolstadt gab ihr Recht und verurteilte die Beklagte dazu, das Konto wieder freizuschalten. Das OLG München hob nach der Berufung der Beklagten das Urteil jedoch wieder auf und wies die Klage ab. 

Die Entscheidung des BGH

Vor dem BGH hatten die Kläger nunmehr Erfolg. Nach Ansicht der Karlsruher Richter stelle die Klarnamenpflicht eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer dar und sei daher unwirksam.

Nach § 13 Abs. 6 Telemediengesetz (TMG), der zur Zeit der Anmeldung der Kläger bei dem sozialen Netzwerk 2018 gültig war, müsse der Diensteanbieter, in diesem Falle Facebook, die Nutzung der Telemedien anonym oder Pseudonym ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar sei. Zwar könne das soziale Netzwerk verlangen, dass der Nutzer bei der Registrierung zur Begründung des Vertragsverhältnisses seinen Klarnamen mitteile. Die anschließende Nutzung des Netzwerkes unter einem Pseudonym sei aber zumutbar.

In seiner Pressemitteilung wies der BGH darauf hin, dass es auf die Vorgaben der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (EU) 2016/679 für die Entscheidung nicht ankomme. Die DS-GVO trat erst am 25. Mai 2018 und damit nach der Registrierung der Kläger in Kraft.

Fazit und Praxishinweis

Der BGH erteilt der Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken eine Absage – und doch bleiben bei dem viel diskutierten Thema auch weiterhin wichtige Fragen offen. Höchstgerichtlich entschieden ist nun, dass Facebook die Nutzung unter einem Pseudonym dulden muss, wenn Nutzer sich vor dem 28. Mai 2018 bei dem sozialen Netzwerk registriert haben. Ob dies auch für den Zeitraum danach sowie für neue Nutzer gilt, ist allerdings unklar.

Die Vorschrift des § 13 Abs. 6 TMG galt bis zum 30. November 2021. Seitdem findet sich in dem neu geschaffenen Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) in § 19 Abs. 2 eine wortgleiche Regelung: Die Nutzung von Telemedien ist anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies „technisch möglich und zumutbar“ ist. In der europäischen DS-GVO findet sich diese Pflicht für Anbieter von Telemedien nicht. Die deutsche Regelung ist damit strenger.

Das OLG München hatte versucht, diesen Widerspruch durch eine europarechtskonforme Auslegung des § 13 Abs. 6 TMG aufzulösen, und entschied, dass es Facebook unzumutbar sei, die Nutzung unter Pseudonym zu ermöglichen. Die Argumentation ist jedoch wenig überzeugend. Die DS-GVO erhebt unter anderem die Datenminimierung zum Grundsatz (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO) und nennt die Pseudonymisierung selbst als Beispiele (Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO). Dass die Vorgaben der DS-GVO einer Pflicht zur Duldung von Pseudonymen entgegenstehen, ist vor diesem Hintergrund nicht zwingend.

Der BGH hat es vermieden, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Auch wenn die Veröffentlichung der Urteilsbegründungen noch aussteht, dürften nähere Ausführungen mangels Entscheidungserheblichkeit im konkreten Sachverhalt nicht zu erwarten sein. Das Verhältnis zwischen § 19 Abs. 2 TTDSG und der DS-GVO bleibt damit offen. Am Ende wird womöglich wie so häufig der EuGH das letzte Wort haben.