Urheberrechtsreform: Kontroverse um Upload-Filter geht in die nächste Runde

Mit Blick auf die Umsetzungsfrist im Sommer 2021 zeichnet sich die geplante Transformation der höchst kontrovers diskutierten Digital-Single-Market Urheberrechtsrichtlinie (EU 2019/790, im Folgenden: DSM-RL) in Deutschland ab. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) liegt nun vor und ist – ebenso wie die ihm zugrundeliegende Richtlinie – heiß umstritten, insbesondere in Bezug auf die Einführung von sog. Upload-Filtern.

English summary

In view of the expiration of the deadline in summer 2021, it is becoming increasingly clear what the implementation of the highly controversial Digital Single Market Copyright Directive (EU/2019/790, hereafter: DSM-RL) in Germany could look like. The draft of the Federal Ministry of Justice and Consumer Protection (BMJV) is now available and – just like the directive on which it is based – is hotly contested, in particular in terms of the possible implementation of upload filters. 

Kernelemente des Reformvorschlags

„Upload-Filter“ stellt für viele ein Trigger-Wort dar, welches zu hitzigen Debatten rund um Zensierung und die Meinungsfreiheit führt. Die DSM-RL benutzt diesen Begriff selbst nicht. Sie sieht allerdings die Einführung von Regelungen zum intensiveren Schutz der Rechtsposition von Urhebern gegenüber Unternehmen und Plattform-Nutzern intensiver vor, wenn ihre Fotos, Artikel oder Videos im Internet hochgeladen und verbreitet werden. Nach verbreiteter Meinung sei dieser Schutz nur durch sog. Upload-Filter zu bewerkstelligen, die jedoch das Risiko eines „overblocking“ tragen.

Gemäß den Vorstellungen des BMJV soll die Umsetzung der DSM-RL in Deutschland insbesondere durch die Einführung eines neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG) umgesetzt werden, welches die Verantwortlichkeit von Plattformen für die Inhalte ihrer Nutzer umfassend regelt. Plattformen sollen in Zukunft konkret geregelten Sorgfaltspflichten unterliegen, welche sie dazu verpflichten, möglichst vorbeugend Lizenzen für urheberrechtlich geschützte Werke zu erwerben. Hierdurch soll die finanzielle Beteiligung der Urheber an der Verbreitung ihrer Werke im Netz sichergestellt werden. Weiterhin ist nach den Vorgaben der DSM-RL ein bestimmter Katalog gesetzlich erlaubter Nutzungen (z.B. Parodien oder sog. Pastiches, d.h. Handlungsformen wie Remixe, Memes, GIFs, Mashups, Fan Art, Fan Fiction, Cover oder Sampling) vorgesehen. Für diese bedarf es also keiner vorherigen Lizenzierung.

De Minimis-Regelung

Im Gegensatz zu der zugrundeliegenden Richtlinie sieht der Referentenentwurf jedoch zusätzlich eine Art „Bagatellausnahme“ für nichtkommerzielle Nutzungen in sozialen Medien vor. Demnach sollen Wiedergaben zu nicht kommerziellen Zwecken von geringem Umfang zulässig sein, selbst wenn diese nicht lizensiert wurden (z.B. bis zu 20 Sekunden eines Films oder einer Tonspur, 1.000 Zeichen eines Textes oder Lichtbilder mit einem Datenvolumen von bis zu 250 kB).

Sollte nach alledem die öffentliche Wiedergabe eines Inhaltes nicht erlaubt sein, so ist der Diensteanbieter verpflichtet, auf die Information des Rechtsinhabers hin die entsprechenden Inhalte umgehend zu entfernen bzw. den Zugang zu ihnen zu sperren.

Sowohl für die Nutzungen zum Zweck des Pastiches als auch für die „Bagatellausnahmen“ hat der Diensteanbieter dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen.

Kontroverse um Upload-Filter

Und was ist mit den Upload-Filtern? Nach dem Willen des BMJV wird es sie geben; allerdings in einem eingeschränkten Rahmen. Nutzer sollen sich gewissermaßen selbst kontrollieren. Dafür ist eine Art „Pre-Flagging“ Verfahren vorgesehen. So sollen Nutzer beim Upload ihrer Inhalte darauf hingewiesen werden, wenn diese aus urheberrechtlichen Gründen zu sperren sind. Daraufhin soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden, sich selbstständig auf einen Ausnahmetatbestand zu berufen. Derart gekennzeichnete Inhalte sollen dann nicht blockiert werden (“Online by default”).

Die Verpflichtung der Diensteanbieter Nutzer sofort auf das Vorliegen von Sperrverlangen hinzuweisen („Pre-Check“ Verfahren) lässt Kritiker derzeit wieder aufhorchen. Es wird bemängelt, dass einer solchen Verpflichtung nur nachgekommen werden kann, wenn die Plattform faktisch präventive Upload-Filter einsetzt um solche Inhalte aufzudecken. Verfechter der Meinungsfreiheit sehen darin Bruch des Versprechens der Bundesregierung, sie werde auf Upload-Filter „nach Möglichkeit verzichten“.

Was wird aus der „Link-Steuer“?

Durch eine Neufassung der §§ 87f – 87k UrhG ist eine Umsetzung der sog. „Link-Tax“ als Leistungsschutzrecht für Presseverleger vorgesehen. Danach steht Presseverlegern das ausschließliche Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen ihrer Presseveröffentlichungen zu. Der Referentenentwurf übernimmt betreffend der sog. „Snippet-Ausnahme“ bzgl. „einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge“ wortgetreu die Formulierung der DSM-RL. Dabei verzichtet er im Vergleich zu dem vorherigen Diskussionsentwurf bewusst darauf näher festzulegen, was genau darunter fällt. Somit stellt sich nach wie vor die Frage: wie lange dürfen diese „Snippets“ sein, ohne dass es einer Lizenz bedarf? Bei einer Beibehaltung dieser Formulierung sind Rechtsstreitigkeiten zwischen Suchmaschinen und Presseverlegern somit Vorprogrammiert.

Ausblick

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Referentenentwurfes im Oktober 2020 hieß es, dass noch im Herbst 2020 ein Regierungsentwurf beschlossen wird. Dieser ist derzeit allerdings angesichts der aufgezeigten Kontroversen nicht in Sicht. Sicher ist nur: der Streit um das „neue“ Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt und insbesondere die Upload-Filter hat noch lange nicht sein Ende gefunden.