Geplante Änderungen im Straßenverkehrsrecht: Gesetzesentwurf zum automatisierten Fahren und die Folgen für Fahrzeugführer, -halter, und -hersteller

Jüngst verabschiedete die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Es sollen Regelungen für das “automatisierte Fahren” von Kraftfahrzeugen geschaffen werden. Dieser Entwurf muss nun noch Bundesrat und Bundestag passieren, bevor er in Kraft treten kann.

English Summary:

The German federal government has launched a bill for the adaptation of the Road Traffic Act (StVG) to cars with highly automated and fully automated driving systems. The vehicle driver (Fahrzeugführer) remains the natural person on the driver’s seat. He must always be in a position to take control of the vehicle and be familiar with the technical specifications of the automated driving system. If, however, an accident is caused solely by the automated driving system used in accordance with its intended use, only the owner of the car shall be liable. For this purpose liability bonds for the owner liability are doubled. In addition a “black box” will be mandatory for such vehicles. It helps in the event of an accident to solve the question of responsibility.


1. Vom “teilautomatisierten” zum “autonomen” Fahren

In der Praxis derzeit oft synonym verwendet, ist zwischen unterschiedlichen Stufen zu unterscheiden, welche zwischen dem manuellen Fahren und dem autonomen Fahren bestehen:

  • teilautomatisiertes Fahren: Der Fahrer muss das System dauerhaft überwachen und jederzeit zur vollständigen Übernahme der Fahraufgabe bereit sein,
  • hochautomatisiertes Fahren: Der Fahrer muss das System nicht dauerhaft überwachen. Das System warnt den Fahrer aber rechtzeitig, wenn dieser eingreifen muss,
  • vollautomatisiertes Fahren: Der Fahrer muss das System nicht überwachen. Das System ist in allen Situationen in der Lage, einen “risikominimalen” Zustand herzustellen,
  • autonomes (“fahrerloses”) Fahren: Das System übernimmt das Fahrzeug vollständig vom Start bis zum Ziel; alle im Fahrzeug befindlichen Personen sind nur Passagiere.

(Quelle: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2017/01/2017-01-25-automatisiertes-fahren.html)

Ein Beispiel für teilautomatisiertes Fahren – welches heute schon Status quo ist – ist der Abstandsregeltempomat. Er nimmt dem Fahrer eine bestimmte Aufgabe ab, der Fahrer behält aber weiterhin vollständige Kontrolle über das Fahrzeug. Hoch- und vollautomatisierte Systeme können in Teilbereichen (bspw. Einparken) die volle Kontrolle über das Auto übernehmen und benötigen in der Regel keine menschliche Unterstützung. Allerdings sind die Systeme jederzeit durch den Fahrzeughalter manuell übersteuerbar oder deaktivierbar (§ 1a Abs. 2 Nr. 3 StVG-NEU). Im Rahmen des autonomen Fahrens wird das Fahrzeug vollends zum Chauffeur. Es gibt keinen Fahrer mehr, sondern nur noch Passagiere.

2. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung: Hoch- und vollautomatisiertes Fahren

Der vorliegende Gesetzesentwurf befasst sich nur mit den Ebenen des hoch- und des vollautomatisierten Fahrens, § 1a StVG-NEU. Autonomes Fahren ist ausdrücklich noch nicht miteingeschlossen und bleibt somit auch auf juristischer Ebene noch eine Träumerei für die Zukunft. Es sind hierzu noch zahlreiche rechtliche Fragen ungeklärt, beispielsweise auch solche, die über das Straßenverkehrsrecht hinausgehen. Ethische Fragen, wie die Reaktion des Fahrzeugs in einer unvermeidbaren Unfallsituation, bedürfen wohl auch noch einer gesellschaftspolitischen Diskussion.

Beim aktuellen Gesetzesvorhaben verdienen insbesondere die drei folgenden Aspekte eine vertiefte Betrachtung:

  • Der Grad der Kontrolle, den der Fahrer weiterhin über das Auto ausüben kann und muss,
  • die Haftung des Fahrers (Fahrzeugführer) und des Fahrzeughalters bei einem Unfall, und
  • welche Daten vom Fahrzeug erhoben werden (“Blackbox”).

3. Wer fährt wann das Fahrzeug?

Der Betrieb eines Kraftfahrzeugs mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion wird zulässig, § 1a Abs. 1 StVG-NEU. Fahrzeugführer bleibt aber stets der Fahrer selbst, auch wenn er bei “Verwendung dieser Funktion das Fahrzeug nicht eigenhändig steuert” (§ 1a Abs. 3 StVG-NEU). Das System hat allein den Zweck, dem Fahrer bestimmte Fahraufgaben abzunehmen bzw. ihn zu unterstützen. Die Technologie ist aber nicht in der Lage, auf alle Eventualitäten des Straßenverkehrs zu reagieren. Daher schreibt der Gesetzgeber in § 1b StVG-NEU vor, dass der Fahrer verpflichtet ist, jederzeit “die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen” (§ 1b StVG-NEU).

Dabei sind zwei Lebenssachverhalte vorgesehen: Im ersten Fall wird der Fahrer vom System zum manuellen Eingreifen aufgefordert, beispielsweise weil das System erkennt, dass es außerhalb seiner Parameter arbeiten müsste (§§ 1a Abs. 2 Nrn. 4 und 5, 1b Nr. 1 StVG-NEU). Im zweiten Fall wird vom Fahrer erwartet, dass er erkennt bzw. erkennen muss, dass das System nicht mehr bestimmungsgemäß seine Aufgabe ausführen und somit verwendet werden kann (§ 1b Nr. 2 StVG-NEU). Letzteres hat für den Fahrer weitreichende Konsequenzen. So hat er zu wissen, welche Grenzen das System in seinem Fahrzeug hat, um im Falle eines Überschreitens unverzüglich einzugreifen und die Fahrzeugsteuerung wiederaufzunehmen. Um dies zu ermöglichen, trifft den Hersteller eine Pflicht zu einer “unmissverständlichen” Systembeschreibung über die Art der Ausstattung mit automatisierter Fahrfunktion und über den Grad der Automatisierung.

4. Wer haftet, wenn es kracht?

Passiert ein KFZ-Unfall im Straßenverkehr, so stellen sich immer die gleichen Fragen: Wer ist schuld und wer haftet? Diese Unterscheidung ist dem StVG immanent, denn nach § 7 Abs. 1 StVG haftet der Halter eines Fahrzeugs (verschuldensunabhängig) aus Gefährdungshaftung. Diese beruht auf dem Gedanken, dass dem Betrieb eines Fahrzeugs stets eine Gefahr innewohnt und diese Gefahr durch den Halter eröffnet wurde. Daneben haftet der Fahrer verschuldensabhängig nach § 18 StVG sowie dem allgemeinen Deliktsrecht (§ 823 BGB).

Dieses System der Zweiteilung wird vom Gesetzesentwurf zur Änderung des StVG nicht angerührt, ein eigener Tatbestand für die Haftung der Fahrzeughersteller ist nicht vorgesehen. Vielmehr führt die Bundesregierung in ihrer Gesetzesbegründung aus, dass mögliche Haftungsfragen zwischen Halter und Hersteller erst im Nachgang gerichtlich zu klären sein werden. Die Haftungshöchstsummen für Ansprüche aus dem StVG werden entsprechend dem Entwurf verdoppelt, sobald der Schaden aufgrund einer hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktion verursacht wurde (§ 12 Abs. 1 StVG-NEU). Denn in diesem Fall fehlt es an der verschuldensabhängigen Haftung des Fahrers, welche ohne automatisiertem Fahren regelmäßig gegeben ist.

5. Die “Blackbox”

Im Haftungsfall wird relevant, wessen Fehler zu einem Unfall führte: Liegt technisches oder menschliches Versagen vor? Der Fahrer wird sich aber nicht pauschal auf ein Versagen des automatisierten Systems berufen können. Denn Fahrzeuge müssen eine “Blackbox” haben, welche aufzeichnet, wer zum Unfallzeitpunkt das Fahrzeug steuerte, ob also das automatisierte System aktiv war. Dazu wird auch gespeichert, ob eine Aufforderung an den Fahrer erfolgte, die Fahrzeugsteuerung zu übernehmen (§ 63a Abs. 1 StVG-NEU). Die Bundesregierung sieht vor, dass diese Daten von Behörden (§ 63a Abs. 2 StVG-NEU), aber auch von Drittem, welche Unfallbeteiligte sind oder Ansprüche aus dem Unfall innehaben (Abs. 3), abgerufen werden dürfen.

6. Ausblick

Dieser Regierungsentwurf ist möglicherweise noch weit von der endgültigen Gesetzesfassung entfernt, aber ein erster Trend zeichnet sich schon ab. Zum einen sind die Anforderungen sehr hoch, die an den Fahrer bez. der Überwachung des Fahrzeugs gestellt werden. Der Fahrzeugführer hat – ähnlich wie beim teilautomatisierten Fahren – stets mit voller Konzentration sein Fahrzeug zu führen und zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen noch vorliegen. Ist dies nicht mehr der Fall, dann hat er unverzüglich die Fahrzeugsteuerung zu übernehmen. Daher ist es noch ein weiter Weg, bis der eigentliche Fahrer zum Passagier wird, und das Recht ihm auch diese Rolle zubilligt. Eine Vollautomatisierung, die eigentlich keine Überwachung mehr durch den Fahrzeugführer verlangt, hat zwar formal Eingang in den Gesetzestext gefunden. Inhaltlich ist das Recht aber noch nicht so weit, der nach dem bisherigen Verständnis als Fahrzeugführer beschriebenen Person auch rechtlich die Rolle eines Passagiers zuzuschreiben. Die KFZ-Industrie erscheint zwischen der Halter- und der Fahrzeugführerhaftung prima vista als lachender Dritter, denn ihr wird kein eigenständiger gesetzlicher Haftungstatbestand zugeschrieben. Allerdings wird sich die Haftpflichtversicherung des Halters schließlich an den Hersteller wenden. Das Haftungsverhältnis dieser beiden ist aber nicht Gegenstand dieser Gesetzgebung.