Bundesverfassungsgericht zum “Recht auf Gegenschlag”

Auch in rein privatnützigen Auseinandersetzungen muss eine scharfe und emotionale Reaktion als “Gegenschlag” hingenommen werden, wenn sie zuvor vom Betroffenen provoziert wurde. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt damit in einer aktuellen Entscheidung klar, dass das “Recht auf Gegenschlag” nicht auf Fälle des geistigen Meinungskampfs in öffentlichen oder politischen Angelegenheiten beschränkt ist (BVerfG, Beschluss vom 10.03.2016, Az.: 1 BvR 2844/13). 

English Summary

Freedom of expression can justify harsh and emotional statements in private matters

The German Federal Constitutional Court (BVerfG) has clarified that a harsh and emotional reaction as a response to a statement with a similar effect does not necessarily have to refer to a public or political debate to be legitmate by the freedom of expression. The so called “Recht auf Gegenschlag” (“right to counterstrike”) also applies in  private matters (BVerfG, case no. 1 BvR 2844/13).

Der Sachverhalt

Zur Zeit des vielbeachteten Prozesses über die Vergewaltigungsvorwürfe gegenüber dem bekannten Wettermoderator Kachelmann äußerte sich dieser nach Freispruch medial emotionalisierend über die Ex-Geliebte, die ihn zur Tat beschuldigte (“Was soll ich über lügende Zeuginnen sagen”, “(…) als sie sich den Vorwurf der Vergewaltigung ausdachte (…)”). Die Ex-Geliebte erwiderte unmittelbar darauf in einem Interview gegenüber einer Illustrierten ebenfalls emotional und zugespitzt (“ES WAR SO”, “Er hat nur die Machtverhältnisse wieder so hergestellt, wie sie seiner Meinung nach richtig sind”). Kachelmann begehrte Unterlassung mehrerer Äußerungen und bekam zunächst in allen Instanzen Recht. Anstelle einer detaillierten und emotionalen Meinungsäußerung hätte sich die Ex-Geliebte auf wesentliche Fakten und sachliche Äußerungen beschränken müssen. Vor dem Hintergrund des Freispruchs sei bei der Wahrnehmung des Rechts auf Gegenschlag Zurückhaltung geboten gewesen und die Persönlichkeitsrechtsverletzung gegenüber Kachelmann nicht hinzunehmen.

Die Entscheidung

Dagegen stellt das BVerfG klar: “Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert.” Und dieses Recht sei nicht auf Fälle der öffentlichen Debatte mit Gemeinbezug zu reduzieren. Denn die Meinungsfreiheit gewähre als grundlegendes Menschenrecht auch, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität in die Welt zu tragen. Zu Gunsten der Ex-Geliebten führte das Gericht für den konkreten Fall an, dass ihre Reaktion ohne Vorbringen neuer Tatsachen in zeitlicher Nähe zu den – ebenfalls nicht sachlichen und emotionalen – Äußerungen Kachelmanns und seiner Anwälte erfolgte.